In dieser Folge von „Forschung im Fokus“ behandelt Frank Snoek das Thema der zunehmenden Beschäftigung mit begleiteten Selbsthilfeprogrammen unter Patienten und Therapeuten. “Das ideale System wäre dasjenige, das jedermann mühelos nutzen kann.“ Snoek ist Professor für Medizinische Psychologie und Fachbereichsleiter von zwei Universitätskliniken in Amsterdam: dem VU Medical Center Amsterdam und dem Academic Medical Center.
Frank Snoek
Snoeks Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Verhaltensmedizin, genauer auf Depressionen und Ängsten bei Patienten mit chronisch somatischen Erkrankungen, insbesondere Diabetes. Aktuell arbeitet er an der Entwicklung von online begleiteten Selbsthilfeprogrammen für Menschen mit Diabetes und Hauterkrankungen.
Reduzierung der Ausfallraten in Online-Programmen
“Durch meine Forschungsarbeit möchten wir psychologische Elemente wie bestehende kognitive Verhaltenstherapien in die medizinische Versorgung integrieren und an die spezifischen Bedürfnisse von Patienten mit chronischen Erkrankungen anpassen“, erklärt Snoek. Er betont, dass vorwiegend unbegleitete E-Therapien angenommen werden und zudem effektiv sind, sie aber auch eine Kehrseite haben: die Zahl der Abbrecher ist hoch.
“Wir arbeiten daran, die Flexibilität und das Patienten-Engagement zu erhöhen“, erklärt Snoek mit dem Ehrgeiz, die Erfolgsraten von etwas mehr als der Hälfte der Patienten auf eine bedeutend größere Zahl an regenerierten Betroffenen steigern zu wollen. Snoek strahlt ein aufrichtiges Interesse an der Verbesserung der Lebensqualität von Menschen aus: “Wir forschen nicht nur. Es gibt einen klinischen Auftrag für das, was wir tun.“
Theorie versus Praxis
Trotz der aktuellen Erfolge von E-Health in seinem Heimatland sorgt sich Professor Snoek manchmal darum, dass sich dieser Vormarsch auf die Wissenschaft beschränkt. “Ich denke, dass sich E-Mental-Health in der Forschung bereits ziemlich durchgesetzt hat, es in der Breite aber noch nicht angekommen ist, während wiederum die Akzeptanz der Telemedizin rasant zunimmt.“
'Die Anwendung von E-Mental-Health wird signifikant zunehmen'
Dennoch erwartet er, dass sich dies aus zwei Gründen noch ändern wird: Erstens durch die begrenzten finanziellen Mittel für Face-to-Face-Therapien in Kliniken und zweitens durch den Druck der Krankenkassen, mehr E-Mental-Health-Interventionen einzusetzen. “Wir werden voraussichtlich erleben, dass die Anwendung von E-Mental-Health in den kommenden Jahren signifikant zunehmen wird“, prophezeit Snoek.
Widerstand unter Patienten und Therapeuten
Eine Zunahme bedeutet, dass in Zukunft mehr Patienten E-Health nutzen werden. Allerdings räumt Professor Snoek auch Widerstand vonseiten der Patienten ein: “Aktuell sind nicht viele Patienten an E-Health interessiert oder fragen aktiv danach.” Was könnten die Gründe dafür sein? “Zum Teil liegt es daran, dass es noch neu ist. Die Menschen sind noch nicht vertraut damit und befürchten, dass es auf Kosten des persönlichen Kontakts zu ihrem Therapeuten gehen könnte. Die Therapeuten selbst sind auch Teil des Problems, sagt Snoek. Insbesondere Hausärzte sehen oft nicht die Notwendigkeit, E-Health zu nutzen. “Sie machen wirklich einen guten Job. Aber sie sind nicht unbedingt daran interessiert, dass ihre gewohnten Routinen durchbrochen werden. Aber ich bin sicher, dass wir in den kommenden Jahren Fortschritte sehen werden“, fügt er lächelnd hinzu.
Die Zukunft: vollständige Integration von E-Health in die Gesundheitsversorgung
Professor Frank Snoek glaubt, dass E-Health bei der zukünftigen Behandlung der Psyche von Patienten mit chronisch somatischen Erkrankungen einen hohen Stellenwert einnehmen und zunehmend auf Selbstmanagementkompetenzen setzen wird. Er beschreibt, dass er mit der Entwicklung eines begleiteten Selbsthilfeprogramms für Menschen mit Depressionen bei Diabetes begonnen hat: “Dieses neue Projekt kombiniert Online-Behandlung mit Face-to-face-Kontakten, bei dem zunächst entweder das eine oder das andere angeboten wurde. Ich bin wirklich begeistert von den Möglichkeiten“, schwärmt Snoek.
Das Thema der Personalisierung wird eine große Rolle spielen
Das Programm wird nun auch an einer Gruppe von dermatologischen Patienten getestet, wodurch – Snoek ist sich da sicher – eine ganze Reihe an Erkenntnissen über die optimale Konzipierung und Umsetzung solcher Interventionen gewonnen werden können. Er hält das Thema Individualisierung für den Schlüssel, das auf der Agenda ganz oben steht.
Beim Blick in die Zukunft für Patienten und Therapeuten sieht Professor Snoek eine vollständige Integration von E-Health und E-Mental-Health in die Gesundheitsversorgung voraus, bei der technische Bedenken oder Probleme der Vergangenheit angehören. “Das ideale System – wie immer dieses aussehen mag – wird für jedermann völlig mühelos zu nutzen sein. Das wäre für Therapeuten wirklich hilfreich, um Kontakt zu Patienten und Therapeutenkollegen herzustellen”. Und er lächelt, als er anfügt: „Und es würde vielleicht Funktionen geben, von denen wir heute nicht einmal zu träumen wagen.“
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Das VU Medical Center Amsterdam und das Academic Medical Center sind Mitglieder des Minddistrict Global Research Networks. Frühere Folgen dieser Blog-Serie finden Sie hier:
- Interview mit Wissenschaftler Rocio Herrero über chronische Schmerzen und E-Health
- Interview mit Ina Breitner über Essstörungen.