Das ICare-Projekt CORE zeigt Studenten an Hochschulen und Universitäten, wie sie ihre Widerstandsfähigkeit - auch Resilienz genannt - zur Reduzierung von Stress erhöhren können. Die Wissenschaftlerin Rocio Herrero erzählt, wie diese Intervention entstanden ist.
Volle Tage mit Hausarbeiten, Klausuren, Freunden, Arbeit und sozialen Medien. Die Herausforderungen des täglichen Lebens können für Studenten Stress mit sich bringen. Untersuchungen zeigen, dass Studenten weltweit in allem, was sie tun, mit Erfolgsdruck zu kämpfen haben. Müdigkeit bis hin zum Burnout sind daher beinahe zur Normalität geworden.
Laut Ergebnissen diverser Studien können Online-Interventionen bei der vorbeugenden Behandlung psychischer Probleme äußerst effektiv sein. Diese Interventionen werden aber in vielen europäischen Ländern nicht von den Krankenkassen übernommen, was es nicht unbedingt einfacher macht, Hilfe zu finden und zu bekommen. Das europäische Forschungskonsortium ICare will das ändern und erhält dafür finanzielle Unterstützung von der EU. Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden arbeiten gemeinsam an einem innovativen Modell zur Förderung der psychischen Gesundheit.
Zur Erreichung dieses Ziels arbeiten die Forscher dazu an verschiedenen Projekten. Eines davon ist CORE, eine Anwendung, die Studenten bei der Erhöhung ihrer Widerstandsfähigkeit und dem Umgang mit Stress unterstützen soll. Das Training basiert auf den Sechs Elementen des psychischen Wohlbefindens, einem wissenschaftlich nachgewiesenen Modell der amerikanischen Psychologin Carol Ryff.
Ziel des Trainings ist es, Studenten Möglichkeiten des Umgangs mit Unsicherheiten im Leben aufzuzeigen. Eine adäquatere Handhabung stressiger Situation und das Erlernen neuer Fertigkeiten helfen dabei, gegen Unsicherheiten besser gewappnet zu sein.
Optimierung durch Technologie
Die Wissenschaftlerin Rocio Herrero forscht an der Jaume Universität in Valencia. Bereits seit zehn Jahren erforscht sie, wie die Psychologie mithilfe von Technologie optimiert werden kann. Nach Abschluss ihrer Doktorarbeit wurde sie gebeten, für ICare tätig zu werden. Aktuell ist sie vor allem mit der Organisation und Koordination der ICare-Projekte mit Spanienbezug beschäftigt.
Auf die Frage, wie das Projekt zustandegekommen ist, antwortet Herrero, dass die Idee bei der Arbeit in der psychologischen Klinik der Universität entstanden ist. “Cristina Botella stand mehr als 20 Jahre an der Spitze der psychologischen Abteilung und des LabPsiTec-Teams, zu dem ich auch gehöre (LabPsiTec steht für Laboratorio de Psicología y Tecnología, oder übersetzt: Laboratorium für Psychologie und Technologie, die Red.). Das Team registrierte eine konstante Zahl an Studenten, die um Unterstützung baten. Wir sahen, dass sie unter einem hohen Stresslevel litten, insbesondere wegen der fortlaufenden Veränderungen in ihrem Leben. Das war der Ausgangspunkt für unsere Forschung."
In den Jahren, in denen Herrero tätig ist, fiel es auf, dass Studenten mit zahlreichen Problemen zu kämpfen haben. “Das sind Dinge, die mit dem Studium zu tun haben; vieles ist dann neu und manchmal mühsam. Aber wir beobachten auch Aspekte wie das Fehlen der vertrauten Umgebung zu Hause oder die Notwendigkeit des plötzlich selbstständigen Lebens und Wohnens. Während der Studienzeit studiert man mit vielen anderen zusammen, man erfährt viel Neues über sich selbst. Das alles verlangt einem jungen Menschen eine ganze Menge ab."
Um all das zu bewältigen, müssen sich Studenten vielerlei neue Kompetenzen aneignen. Mentale Widerstandsfähigkeit spielt laut Herrero in diesem Prozess eine bedeutende Rolle. “Man lernt durch Hinfallen und wieder Aufstehen. Dazu braucht man eine gewisse psychische Widerstandsfähigkeit.".
Diese Widerstandsfähigkeit - in der Wissenschaft auch "Resilienz" genannt - gibt den Forschern Aufschluss darüber, warum manche Menschen mit stressigen und herausfordernden Situation umgehen können und sich anpassen, während andere das nicht können. Herrero: “Von dem Moment an, in dem jemand mit Stress oder einer Herausforderung konfrontiert wird, macht ihn dies entweder stärker, oder er empfindet es als Belastung, mit den dazugehörigen Symptomen.” Diese Symptome können sich zu einem Problem entwickeln oder gar bis hin zu einer Erkrankung auswachsen.
Module mit den wichtigsten Elementen für Widerstandsfähigkeit
CORE ist ein Training, das Studenten dabei unterstützt, die benötigten Kompetenzen zu entwickeln. “Wir haben verschiedene Module zu Inhalten entwickelt, die bereits in früheren Studien als wichtigste Elemente zur Entwicklung von Widerstandsfähigkeit identifiziert wurden. Eines dieser Elemente - in den Trainings als Vitamine bezeichnet - ist die Autonomie. Das Gefühl, selbst imstande zu sein, sein Leben zu organisieren, nach Zielen zu streben und diese auch zu erreichen."
"Auch das soziale Netzwerk spielt eine große Rolle", erklärt Rocio Herrero. “Wir wissen, dass der Mensch per Definition ein soziales Wesen ist. Wir brauchen andere Menschen und teilen gerne unsere Sorgen und Erfolge mit jemandem. Aber wir müssen selbst bestimmen, auf welche Art Beziehungen wir uns in unserem Leben einlassen. CORE wendet die Strategie des Selbstmitgefühls an, die dazu führt, dass wir uns auf eine freundlichere Weise selbst betrachten, als wir es ursprünglich gewohnt sind. Zudem stehen unsere Ziele im Leben im Vordergrund. Das Modul motiviert Studenten dazu, über ihre Zukunft nachzudenken und eine Verbindung zu einem übergeordneten Ziel herzustellen. So können Ziele als Kompass für tägliche Entscheidungen dienen."
Sammlung aller Daten
Vor vier Jahren haben die Wissenschaftler ihre Arbeit an CORE aufgenommen, so Herrero. Nachdem ein Jahr lang an sämtlichen Inhalten gearbeitet wurde, begann man mit der praktischen Umsetzung. "Bis jetzt haben um die 500 Studenten mitgemacht; aus Deutschland, Spanien und der Schweiz. Wir haben noch keine endgültigen Ergebnisse, da wir noch damit beschäftigt sind, alle Daten zu sammeln. Die Ergebnisse sollten aber in den kommenden Monaten bekannt gegeben werden können."
Laut den Forschern ist CORE exakt das, wofür ICare steht: "Der gesamte Prozess war wichtig, um den Fokus auf die Gruppe zu richten, die Unterstützung benötigt. Unser Ziel ist, vor allem innovative Lösungen zu entwickeln, die einfach umzusetzen sind. Soweit wir es bis jetzt überblicken können, haben die Online-Interventionen einen sehr großen Effekt."
Nach Rocio Herrero ist vor allem die Frage, ob Online-Interventionen und neue Technologien so eingesetzt werden können, dass die Effektivität weiter zunimmt. “Zum Beispiel dadurch, dass die Interventionen individueller gestaltet werden, oder intelligenter in der Weise, wie wir die Entwicklung eines Patienten im Therapieverlauf dokumentieren."
Letzlich soll die Intervention zu einem festen Bestandteil von Universitätsprogrammen in verschiedenen Ländern werden. "Wir denken, dass es eine wichtige Aufgabe ist, Tools zu entwerfen, bei denen die psychische Gesundheit und Widerstandfähigkeit von Studenten im Vordergrund steht. Hoffentlich können wir sie dabei unterstützen, den Herausforderungen des Universitätslebens die Stirn zu bieten, so dass sie daraus gestärkt hervorgehen."
Mehr erfahren?
CORE ist nur eines von mehreren ICare-Projekten. Um mehr über die anderen Forschungsprojekte zu erfahren, empfehlen wir Ihnen unser Interview mit Ina Beintner, Wissenschaftlerin im Projekt everyBody, zur Prävention von Essstörungen.
Hat CORE Ihr Interesse geweckt und möchten Sie mehr über die Module erfahren? Möchten Sie diese womöglich selbst für Studenten einsetzen? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
Wussten Sie, dass Minddistrict in vielen Forschungsprojekten eingesetzt wird? Sie finden dazu weitere Informationen auf unseren Forschungsseiten