Beim diesjährigen DGPPN Kongress im CityCube Berlin bereicherten vier Vortragende aus unterschiedlichen Versorgungsbereichen das von Minddistrict organisierte Symposium mit dem Kernthema der digitalen Nachsorge nach einem stationären bzw. Reha-Aufenthalt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Minddistricts Geschäftsführerin Dr. Maren Kentgens.
Aktuelle Nachsorgesituation in der stationären Psychiatrie
Dr. Udo Polzer – Chefarzt der Psychiatrie in der Asklepios Klinik Stadtroda – macht Aufmerksam auf die Versorgungslücke nach der Entlassung, insbesondere in ländlichen Regionen, in denen häufig nur wenige Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen ansässig sind.
Vor dem Hintergrund, dass die Nachfrage nach einem stationären Aufenthalt in den letzten 20 Jahren um 48,5% stieg (DGPPN (2018), Psychische Erkrankungen in Deutschland: Schwerpunkt Versorgung) und die Patient:innen in einem Zustand der Teilremission schon nach teilweise zwei Monaten entlassen werden, muss man eine alternative Lösung finden, um Patient:innen in ihrem weiteren Genesungsprozess unterstützen zu können. Andernfalls droht ein sogenannter “Drehtüreffekt” und Patient:innen kehren innerhalb von 30 Tagen wieder auf die Station zurück. Dr. Polzer sieht eine große Chance in webbasierten Anwendungen, um das Rückfallrisiko zu verringern.
Eine Pilotstudie zur Wirksamkeitsüberprüfung der von Minddistrict geplanten Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA, verordnungsfähige digitale Medizinprodukte) im Bereich der Nachsorge bei Depressionen wird noch in diesem Jahr anlaufen. Auch Herr Dr. Polzer hofft auf signifikante Ergebnisse, um die Versorgung psychiatrischer Patient:innen in Deutschland zu verbessern und die Wiederaufnahmen innerhalb eines Jahres zu verringern.
Blended Care in der Nachsorge nach (teil-) stationärem Aufenthalt
Frau Dr. Stephanie Grabhorn - ärztliche Direktorin der Privatklinik Blomenburg – ist überzeugt von der Nutzung digitaler Module in Kliniken.Die Integration digitaler Module oder Tools sei am Puls der Zeit und somit notwendig, um auf dem Markt mithalten zu können. Insbesondere die Psychoedukation könne sehr gut von digitalen Modulen übernommen werden, als auch das Auffangen personell bedingten Ausfalls.
Im Klinikalltag macht Frau Dr. Grabhorn regelmäßig die Erfahrung, dass auch Privatversicherte Probleme haben, eine Anschlusstherapie zu finden und findet deshalb ein digitales Modul zur Nachsorge sehr sinnvoll. Sie unterstreicht auch das breite Angebot an Modulen auf der Plattform von Minddistrict, die individuell für einzelne Patient:innen zusammengestellt werden können.
Mit dem Prozess der Implementierung von Minddistrict war sie sehr zufrieden, da diese von einer erfahrenen Implementierungsmanagerin in-house durchgeführt und viel Hilfe in diesem Prozess angeboten wurde.
Seit September diesen Jahres bekommt jede:r Patient:in in der Blomenburg einen Zugang zur Minddistrict Plattform. Frau Dr. Grabhorn freut sich über die durch die Corona Pandemie gesunkene Hemmschwelle digitale Module anzuwenden – sei es auf Seite der Therapeut:innen als auch der Patient:innen. Die Zukunftsvision für das Entlassmanagement ihrer Klinik ist die Bereitstellung von Minddistrict Modulen in Kombination mit Face-to-Face Sitzungen, die dem oder der Patient:in den Übergang in den Alltag erleichtern sollen.
Nicht nur der oder die Patient:in kann davon profitieren, sondern auch die Kund:innenbindung an die Blomenburg. Patient:innen fühlen sich gut aufgehoben und nicht alleine gelassen in ihrem weiteren Genesungsprozess.
Mind-RENA: Digital unterstützte Reha-Nachsorge nach psychosomatischen Erkrankungen
Dr. Ralf Bürgy - Abteilungsleiter des Bereiches Qualitätsmedizin und Interne Revision der Mediclin AG - berichtete von seiner Entwicklungspartnerschaft mit Minddistrict, um Versorgungskonzepte für Menschen nach einem Reha-Aufenthalt zu konzipieren. Für das im kommenden Jahr 2023 anlaufende Forschungsprojekt Mind-RENA wurde ein spezielles Nachsorgemodul für Rehabilitand:innen von Minddistrict entwickelt.
Dr. Stella Fangauf – Content Developer bei Minddistrict - erklärt, wie wissenschaftlich fundierte Inhalte von ihrem Team in das Modul eingearbeitet wurden. In einer vorangegangenen Bedarfsanalyse wurde festgestellt, dass Rehabilitand:innen nach ihrem Aufenthalt vor großen Herausforderungen stehen, wie der Rückkehr zum Arbeitsplatz und Sorgen vor Überforderung und sozialem Druck. Es sei schwer die Struktur aus der Reha-Klinik aufrecht zu erhalten und das Gelernte in den Alltag zu übertragen, insbesondere weil diese Patient:innen häufig eine niedrige Selbstwirksamkeitserwartung haben.
“Perspektivisch ist für die Rehabilitand:innen wichtig, eine gesunde Balance zwischen sich-schonen und sich-fordern zu finden, denn man kann schnell zu sehr in die eine oder andere Richtung tendieren,” so die Psychologin. Mind-RENA setzt dort mit den Themen Bewältigung von Scham und Stigma, Akzeptanz und der Umgang mit Restsymptomen an. Darüber hinaus erfahren Rehabilitand:innen wie man Entspannungsverfahren in den Alltag integrieren kann und das Erlernen von sozialen Kompetenzen, die auch im Arbeitsalltag von großer Bedeutung sind.
Diskussion
Als runder Abschluss des Symposiums werden Fragen des Publikums beantwortet und inhaltlich diskutiert, insbesondere zum Stichwort “Finanzierung” und “Kostenträger” in Bezug auf die Überbrückung von Wartezeiten. Die Expert:innen sind sich einig, dass diese Versorgungslücke sinnvoll von digitalen Modulen geschlossen werden könnte und es dringend einer Kostenerstattung bedarf.
Es wurde jedoch auch kritisch reflektiert. Dr. Maren Kentgens warf die Frage auf, welche negativen Konsequenzen die Verwendung digitaler Module und Tools mit sich bringen könne. Um eine Finanzierung der Krankenkassen zu erreichen, müssen Wirksamkeitseffekte nachgewiesen werden, darin waren sich die Expert:innen einig. Außerdem sei vielen Therapeut:innen noch nicht klar, wie sie die digitalen Inhalte in ihre Behandlung einbauen sollen. Zum Teil werde dies häufig noch als zusätzlichen Aufwand, als eine Bereicherung oder Erleichterung ihrer Arbeit. Es fehlt noch an empirisch geprüften Protokollen und Leitlinien, wie man digitale Module sinnvollerweise in eine konventionelle stationäre Therapie integriert (Stichwort “blended care”).
Für einen erfolgreichen Einsatz der noch relativ neu eingeführten DiGAs müssen niedergelassene Ärzt:innen und Therapeut:innen besser aufgeklärt und in Kenntnis gesetzt werden, um diese überhaupt verschreiben zu können. Hier setzen die Expert:innen auch auf den Einsatz und das Interesse der Patient:innen selbst, die den Digitalisierungsprozess im Gesundheitswesen vorantreiben können.
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