Yoga kann für Frauen, die unter einer Depression leiden, eine wichtige Rolle spielen. Aber wie bekommt man diese Gruppe auch dazu, die Übungen zu Hause durchzuführen? Die Psychologin Nina Vollbehr hat gemeinsam mit einem Team ein Online-Modul mit Yoga-Übungen und Hausaufgaben konzipiert. Eine perfekte Kombination, findet sie.
“2014 haben wir für Frauen zwischen 18 und 34 Jahren, die unter Angst und Depressionen leiden, ein Yoga-Modul, ein Training von 9 Wochen, entwickelt. Eine psychologische Intervention, durch die die Teilnehmerinnen anhand von Yoga-Übungen lernen, weniger zu grübeln, freundlicher zu sich selbst zu sein und mit negativen Emotionen besser umzugehen. Wir haben das Training im Rahmen eines Forschungsprojekts in der psychischen Gesundheitsversorgung angeboten.” Während des Entwicklungsprozesses des Moduls dachte Vollbehr darüber nach, wie sie die Teilnehmerinnen dazu bewegen könnte, dass diese ihre Übungen auch wirklich durchführen. “Du willst sie schließlich motivieren und es ihnen so einfach wie möglich machen. Ich wusste damals, dass bei Achtsamkeitstrainings oft Übungen eingesetzt wurden, die auf einer CD eingesprochen waren und den Teilnehmerinnen mitgegeben wurden.”
Yoga und Depression: Körper und Geist verbinden
Schon während ihres Psychologiestudiums begann Vollbehrs Interesse für Interventionen, die nicht allein auf das Verhalten und Gedanken abzielen, sondern auch Körper und Emotionen berücksichtigen. Sie machte seinerzeit selbst Yoga und wohnte einige Monate in einem Yoga-Zentrum. Langsam reifte die Idee, Yoga und Psychologie miteinander zu kombinieren: “Für mich ist Yoga ein Weg, um besser mit allerlei Erfahrungen in sich selbst in Kontakt zu kommen, mit seinem Körper, der Atmung, seinen Gedanken und Emotionen. Dadurch können Sie erlernen, Ihre Achtsamkeit zu verändern und sich selbst mit größerer Freundlichkeit zu begegnen. Etwas, das bei dieser Gruppe Frauen gerade von großer Bedeutung ist.”
Vom Yogavideo zur Online-Intervention
Vollbehr beschloss, selbst Videos aufzunehmen, so wie sie es bei den Achtsamkeitstrainings gesehen hatte. “Zunächst sehr provisorisch, damit die Teilnehmerinnen etwas hatten, womit sie zu Hause arbeiten konnten.” Sie wählte Übungen aus, besprach die Videos und stellte sie in einem geschlossenen You Tube-Kanal ein, so dass nur die Modul-Teilnehmerinnen diese sehen konnten. Es steckte auch ein nachhaltiger Gedanke dahinter: “DVDs brennen oder Anleitungen ausdrucken, das wollte ich nicht. Die meisten Leute nutzen inzwischen ihr Smartphone oder ihr Tablet für alles mögliche, deshalb wollten wir es so einfach wie möglich für sie machen.”
“Wenn ich mir wegen etwas Druck mache, fange ich an, darüber zu grübeln oder empfinde Stress. Ich bin mir jetzt meiner selbst und bestimmten Gedanken bewusster.” - Teilnehmerin
Es war das erste Mal, dass Nina Vollbehr mit dem Thema E-Health in Berührung kam. “Die erste Gruppe hat das Training gut aufgenommen, arbeitete zu Hause mit den Videos. Wir sahen vielversprechende Resultate, die Teilnehmerinnen nahmen einen Unterschied wahr.” Ihr Forschungsprojekt erregte auf einem Kongress der American Psychological Association Aufsehen: “Es wurde im Vorfeld eine Pressemitteilung mit Informationen über Projekte rund um Yoga und Depression veröffentlicht, in dem wir auch vorkamen. Bevor ich es wusste, wurden wir interviewt und in den Medien zitiert.” Das Ganze endete mit einem Auftritt bei den britischen SkyNews mit einem Beitrag zum Thema.
Einfacher Zugang
In dieser Zeit ging Nina Vollbehrs Arbeitgeber Lentis eine Zusammenarbeit mit Minddistrict ein, wodurch im Unternehmen E-Health vermehrt zum Thema wurde. “Ich wollte sofort mehr darüber erfahren, denn das ist eine fantastische Möglichkeit, um Menschen auf eine sehr einfache Art und Weise Dinge erledigen zu lassen. Übungen sind einfacher in den Alltag zu integrieren, denn einloggen tut sich jeder mehrmals am Tag.”
Inzwischen wurde ein Online-Module konzipiert und die Videos von einem Profi gemacht. Das Training besteht aus neun wöchentlichen Lektionen, in denen die Teilnehmerinnen erfahren, wie sie bestimmte Aufgaben erledigen sollen. Daraufhin machen sie sich zu Hause mit Aufgaben und Übungen an die Arbeit. Das Programm wurde für junge Frauen entwickelt, die noch keine oder kaum Erfahrung mit Yoga haben. “Jede Woche steht ein anderes Thema im Vordergrund. Das Online-Modul besteht aus Psychoedukation und es gibt Dokumentationsaufgaben, die die Teilnehmerinnen in den eigenen vier Wänden bearbeiten. Sie können auch anhand von Videos üben. Als Leiterin kann ich online mitlesen, verfolgen, was sie machen und Feedback geben. Das funktioniert sehr gut.”
Die Aufgaben sind sehr verschieden. “Ein Thema kann z.B. Selbstfürsorge sein. Die Aufgabe ist dann, jeden Tag etwas für sich selbst zu tun. Die Teilnehmerinnen müssen dann notieren, wie die Übungen für sie waren und wann sie sie ausgeführt haben. Ich kann einsehen, was sie gemacht haben und sie daraufhin entsprechend anleiten.” Neben dem Online-Modul gibt es auch wöchentliche Gruppenzusammenkünfte, wo vor allem mit Yoga gearbeitet wird. “Die weitere Einbindung und Bearbeitung findet dann anhand des Online-Moduls zu Hause statt.”
Überweisungen zum Online-Yoga
Ein Online-Modul erfordere auch Disziplin von den Teilnehmerinnen, merkt Vollbehr an. “Ich schätze, dass etwa die Hälfte die Module gut angeht, ein Viertel manchmal damit arbeitet und ein weiteres Viertel nicht viel damit macht. Die Teilnehmerinnen wurden an uns überwiesen und sind natürlich nicht dazu verpflichtet, gut mitzuarbeiten. Dazu kommt, dass die eine Teilnehmerin mit Depressionen mehr Mühe damit hat, in die Gänge zu kommen, als eine andere. Aber meine Erfahrung ist, dass eine große Gruppe wirklich ernsthaft mitziehen möchte.”
“Durch Yoga habe ich gelernt, mehr auf meine Intuition hören, mich zu trauen, meine eigenen Grenzen zu suchen und kennenzulernen. Das Online-Training hat mir viel über mich selbst beigebracht, es hat mich zum Denken gebracht.” - Teilnehmerin
Yoga zur Therapie, nicht allein zur Entspannung
“Yoga ist ein körperliches Training, daher muss es gut begleitet werden”, betont die Psychologin. “Das von uns entwickelte Training ist zudem eine therapeutische Maßnahme und nicht allein Yoga zur Entspannung.” Es geht um eine gezielte psychotherapeutische Intervention für Frauen mit der Diagnose Depression: “Sie stoßen an ihre persönlichen Grenzen. Das sieht man häufig bei depressiven Frauen. Sie empfinden es manchmal als mühsam, ihre körperlichen Grenzen anzunehmen und zu respektieren. Andere wiederum haben mehr Mühe damit, sich aufzuraffen; da hilft so ein persönliches Gespräch mehr.”
Resultate
Nach einem Jahr gibt es 63 Frauen, die am Online-Modul teilnehmen. “Wir hoffen, insgesamt 170 Teilnehmerinnen zu finden. Wir möchten auch im kommenden Jahr damit fortfahren. Ende 2019 sollen dann alle Resultate vorliegen, inklusive eines Follow-ups nach einem halben bzw. ganzen Jahr.”
Inzwischen ist die Projektleiterin von der Wirksamkeit der Online-Intervention überzeugt: “Das Modul ist eine interessante Intervention für unsere Zielgruppe. Durch das selbstständige Arbeiten mit den Videos nehmen die Teilnehmerinnen Inhalte tiefgründiger auf. Je mehr sie üben, desto einfacher wird es.” Die Online-Plattform sorgt dafür, dass die Inhalte im Handumdrehen auf allen gängigen Geräten verfügbar sind. “Die Teilnehmerinnen finden, dass das Programm ihre Erfahrungen vertieft. Sie haben das Gefühl, dass sie persönlich mehr für sich mitnehmen und die Anwendungen besser in ihr Leben integrieren können.”
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