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Bei Mindfit steht der Patient im Mittelpunkt und der will online etwas tun.

“Online zu arbeiten ist nichts, was man nebenbei erledigt”

Bei der niederländischen GGZ*-Einrichtung für psychotherapeutische Versorgung, Mindfit, nimmt die Eigenregie des Patienten einen zunehmend hohen Stellenwert ein. Es kostete die strategische Beraterin der Geschäftsführung, Sabine Jansen, Zeit und Energie, um Therapeuten zu E-Health zu bewegen. “Anfangs habe ich die Module ausgedruckt, als ob es Formulare wären, so dass die Therapeuten diese per Hand ausfüllen konnten.”

Sabine Jansen, Mindfit Sabine Jansen, Mindfit

Was digitalisiert werden konnte, wurde digitalisiert. So lautete von 2014 an, als nach der Reform des niederländischen Gesundheitssystems die Basis GGZ entstand, die Arbeitsweise von Mindfit. “Bei der Anwerbung von Personal erklären wir stets, dass unsere Arbeitsweise so digital wie möglich ist. Wenn das zu jemandem nicht passt, sollte sich dieser gut überlegen, ob er bei uns gut aufgehoben ist”, erzählt Sabine Jansen. Online zu arbeiten – folglich auch in der psychotherapeutischen Online-Unterstützung - ist laut Frau Jansen “nichts, was man nebenbei erledigt”. “Im Gegenteil. Es ist ein essenzieller Bestandteil der Arbeit. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Patienten, der die Zügel selbst in der Hand hat, ungeachtet seines Beschwerdebildes.” Sabine Jansen zufolge ist man stets in der Lage, selbstständig aktiv zu werden. “Jeder ist heutzutage online. Das ist das Normalste von der Welt, warum also nicht auch in der Psychotherapie?”

GGZ steht für Geestelijke GezondheidsZorg und bedeutet so viel wie psychotherapeutische Versorgung. Das niederländische Gesundheitssystem wurde vor einigen Jahren reformiert. Die psychotherapeutische Versorgung von Patienten wurde nach Schweregrad der Beschwerdebilder dreigeteilt in:

1. Die Praktijkondersteuning (Praxisunterstützung) GGZ für leichte Beschwerden. Dabei erhalten Hausärzte in ihrer Praxis Unterstützung durch den sogenannten “Praktijondersteuner”.

2. Die Basis GGZ als psychotherapeutische Grundversorgung für moderate Beschwerdebilder.

3. Die Specialist GGZ (Spezialisierte psychotherapeutische Versorgung) für schwerere Störungsbilder.

Ziel der Reform war, Betroffene davor zu bewahren, eine für ihr Beschwerdebild zu komplexe Therapie zu erhalten; und zugleich den Zugang dazu für Patienten mit leichteren Beschwerden zu erleichtern. Die Inanspruchnahme der spezialisierten Versorgung ist seitdem rückläufig.

Dennoch bleibt die Online-Arbeit eine Herausforderung. “Ganz sicher in der psychotherapeutischen Versorgung. Therapeuten werden darin nicht geschult oder arbeiten noch mit veralteten Methoden, wie jemanden sehen, sprechen und “fühlen” zu müssen. Das möchten wir durchbrechen.” Jansen wurde oft gefragt, wie sie das geschafft hätten. “Das ging nur in kleinen Schritten”, erklärt sie. “Beim Start von Mindfit im Jahr 2014 machte ich kurze Zusammenfassungen der Module, die wir hatten, um so den Therapeuten anzuzeigen, wann sie welches Modul einsetzen konnten. Informationen wie: Was ist Kernthema des Moduls oder wieviele Lektionen gibt es. Das war damals alles noch nicht digital. Ich habe die Formulare aus den Modulen selbst ausgedruckt, um sie auf Papier ausfüllen zu lassen! In diesen Momenten dachte ich oft, was tue ich hier eigentlich?!” Aber sie konnte es auch mit Humor betrachten. “Wenn das hilft, dann tue ich es gerne. Aber als sie einmal dahinter kamen, dass Online-Betreuung auch Vorteile hat, ging es recht schnell. Der Anfang war etwas beschwerlich, aber dadurch haben wir später umso schneller Fortschritte gemacht.”

Selbst aktiv werden

“Bei Mindfit steht der Patient im Mittelpunkt, und der will schon gerne etwas online machen”, so Jansen. “Wenn man ins Krankenhaus muss, muss man vorher alle möglichen Voruntersuchungen absolvieren, bevor man dem Spezialisten gegenüber tritt. Warum ist das in der GGZ nicht so?” Dort sah Mindfit Möglichkeiten. Warum sollte man als Patient nicht auch etwas vorbereiten können, bevor man den Therapeuten sieht? “Man weiß selbst eigentlich immer, wo die Beschwerden liegen bzw. wo sie herkommen. Demnach kann jeder so schon selbst aktiv werden.” Zudem erhält der Therapeut bereits viele Informationen vorab, bevor das Gespräch mit dem Patienten stattfindet.

Die Anmeldeprozedur ist vollständig digital und mehr als die Hälfte der Patienten durchläuft ein Willkommensmodul

Jedem Patienten wird ein Online-Willkommensmodul angeboten. Die Erfahrung zeigt, dass mehr als die Hälfte der Patienten von Mindfit die Module auch durchläuft. Es gibt natürlich immer Patienten, die dazu nicht bereit sind, aber damit kann Jansen leben. “Wir verschaffen uns dann gemeinsam mit dem Therapeuten – und mithilfe der Methodik und der Module - im ersten Gespräch nachträglich einen Überblick über die Beschwerden. In dieser Hinsicht war es eine Win-win-Situation, denn als Patienten etwas ausfüllen mussten, mussten gleichzeitig die Therapeuten auch online ans Werk, und lernten auf diese Weise die Minddistrict Plattform kennen.” Das macht das Arbeiten mit E-Health zu keiner Ausnahme, es ist “business as usual”, betont Jansen.

Die Module wurden zunächst eher spärlich eingesetzt, aber je beschäftigter die Therapeuten wurden, desto einsichtiger wurden sie auch, dass die anderen Module als Hausaufgaben eingesetzt werden konnten. Oder dass die Module den Vorteil boten, für eine kleine Entlastung in der Basis GGZ zu sorgen. “Da bin ich überzeugt von. Therapien in der Basis GGZ sind relativ kurz, aber die Beschwerdebilder werden stets intensiver und komplexer. Wenn man effektiv sein möchte, muss man damit kreativ umgehen und schauen, was jemand auch selbst schon zu Hause tun kann.” Sehr hilfreich sind bereits zusätzliche Erläuterungen, z.B. Basisinformationen, wie: Was ist eine Diagnose?

"Das Arbeiten mit E-Health ist keiner Ausnahme, es ist “business as usual”

“Dafür hat Minddistrict tolle Module. Lassen Sie die Patienten das im Voraus lesen und fragen Sie sie dann, ob und wie es bei ihnen angekommen ist. Schauen Sie nach den Aufgaben, die jemand bearbeitet hat, und besprechen Sie diese. Dann müssen Sie darauf nicht eine ganze Sitzung verwenden. Dadurch gehen Sie nicht nur mit der Zeit des Patienten schonender um, sondern auch mit der des Therapeuten”, so Sabine Jansen. “Sie können über die Punkte, mit denen Sie bei der Aufgabenbearbeitung Schwierigkeiten hatten, oder die ihnen gerade gut geholfen haben, sofort ins Gespräch einsteigen, direkt zum Punkt kommen. Es herrschte lange Zeit die Haltung vor: Ich komme zum Therapeuten und der sorgt dafür, dass es mir besser geht. Aber so ist es nicht mehr. Wie schön ist es, wenn Sie selbst an Ihren Beschwerden arbeiten können. Das in Ihrem ganz eigenen Tempo, wann immer es Ihnen gerade passt; unterstützt durch qualitativ hochwertige und verständlich formulierte Module?!?”

Mindfit Illustration

Online ermutigen

Patienten müssen dazu die richtige Einstellung haben, ist das auch bei Mindfit der Fall? “Ein Begriff, der häufig fällt, ist die 80-20-Regel: 80 % der Patienten wollen, 20 % wollen nicht. Unser Motto ist: Es muss niemand, aber wir würden es gerne sehen. In einem von Mindfit verschickten Einladungsschreiben wird der Patient daher auch dazu ermutigt, mit einem Modul zu beginnen. Er soll die Fragen so gut wie möglich beantworten. Gelingt dies nicht, ist es nicht schlimm. Es gibt keine falschen Antworten. Man soll einfach sehen, wie weit man kommt.”

Die Bearbeitung des Willkommensmoduls ermöglicht Patienten einen umfassenden Einblick.

Diese Methode richtet sich verstärkt auf die Eigenregie des Patienten. Sabine Jansen bemerkt in der psychotherapeutischen Versorgung ein Umdenken: “Therapeuten sind inzwischen eher sachkundige Berater. Sie beraten, begleiten und zeigen Möglichkeiten auf, anstatt für den Patienten “zu sorgen”. Mindfit erhält diesbezüglich ein positives Feedback. “Die Bearbeitung des Willkommensmoduls ermöglicht Patienten bereits einen umfassenden Einblick. Dadurch entdecken sie ihre persönlichen Fallstricke oder Ziele.” Es ist natürlich auch erkenntnisreicher, diese selbstständig herauszufinden, findet die Beraterin der Geschäftsführung. “Es ist dann hilfreich, zur mentalen Stärkung einen Experten hinzuzuziehen. Die Gesellschaft befindet sich in ständigem Wandel und den Menschen wird viel abverlangt. Da ist mentale Stabilität unentbehrlich.”

Lösungsorientiert

Die Patienten von Mindfit haben Zugang zu 164 Modulen, diese stimmen allerdings nicht mehr alle mit dem Unternehmensansatz überein, so Jansen. “Wir arbeiten lösungsorientiert und nach dem Ansatz der positiven Psychologie, während einige der Module noch eine beschwerdeorientierte Arbeit zum Inhalt haben. Wir machen viel Gebrauch von generischen Modulen, Modulen aus der Grundversorgung, solchen zum Thema Selbstbild sowie mit psychoedukativen Inhalten. Das bietet genau die Extras, die wir anbieten wollen.”

Die Einrichtung untersucht, welchen Einfluss diese Arbeitsweise – digital arbeiten und selbstständig Entscheidungen treffen – auf die Nachhaltigkeit der Behandlung hat. “Kommen Patienten weniger häufig zurück, wenn sie eine Therapie mit größerer Eigenregie absolviert haben? Haben Sie auf lange Sicht weniger Beschwerden? Das untersuchen wir zur Zeit, zusammen mit der Universität Twente. Diese Untersuchung ist Bestandteil einer Promotionsarbeit, daher dauert es noch eine Weile, bis Ergebnisse verfügbar sind.” Wir können auch sehr wohl sehen, wie groß der Anteil der Patienten ist, die von Anfang an mit E-Health arbeiten – verglichen mit damals, als wir mit E-Health begonnen haben.” Waren das im Jahr 2014 noch 25 % der Patienten von Mindfit, so lag die Zahl 2017 gleich bei 50 %.

2014: 25% arbeiten mit E-Health 2017: 50% arbeiten mit E-Health

Das Ergebnis käme vielleicht ein wenig überraschend, aber im Kern ginge es bei Mindfit nicht um Effizienz, betont Sabine Jansen. “Es geht vor allem darum, die Patienten so gut wie möglich zu unterstützen und ihnen wieder den Zugriff und die Kontrolle über ihr Wohlbefinden zurückzugeben. Den Fokus auf die Effizienz zu legen, ist meiner Ansicht nach ein Fehler der Anfangsjahre von E-Health. Es drehte sich darum, Gewinn zu machen, innerhalb einer Lektion drei oder vier Patienten zu sprechen. Aber ich bin da nicht überzeugt von.” Aus früheren Untersuchungen in der Dimence Groep, zu der Mindfit gehört, ging hervor, dass jemand, der online begleitet wurde, auch häufiger zu persönlichen Gesprächssitzungen vor Ort erschien. “Außerdem ist die Zufriedenheit der Patienten höher”, so Jansen. “Wir nennen das “Therapietreue”; und die ist, denke ich, hoch.”

Digitalisierung fortsetzen

Künftig möchte Mindfit die Online-Arbeitsweise noch mehr hervorheben. Schon gleich zu Beginn Patienten darauf hinweisen, dass das Thema “Online” in der Fürsorge eine bedeutende Rolle spielt. Das Anmeldeverfahren ist in der Zwischenzeit bereits vollständig digital. “Wir denken zum Beispiel auch an einen Fragebogen, aus dem hervorgeht, ob man zu Mindfit und unserer Arbeitsweise passt. So können wir Überraschungen oder Enttäuschungen im Vorfeld reduzieren.”

"Wie kann der Patient so viel wie möglich selbstständig tun, und wo kann die Technik Unterstützung bieten?"

Das Therapiemodell 2.0 besteht aus sechs Schritten, erklärt Sabine Jansen. Die müssen allesamt von einem unterstützenden digitalen Modul abgedeckt sein. “Wir haben aktuell vier Schritte digitalisiert. Parallel dazu konzentrieren wir uns auf ein Patientenportal, in dem sämtliche therapierelevanten Informationen für den Patienten zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Dimence Groep hat ein Patientenportal entwickelt, das einen direkten Zugang zur Patientenakte, den Behandlungsergebnissen sowie zu diversen Modulen ermöglicht. Hier sind sicher noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden.”

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Letzten Endes muss der gesamte Prozess mit weniger Arbeitsstunden zu bewältigen sein. “Nach unseren Erwartungen werden wir es mit einer Personalknappheit zu tun bekommen, daher ist die Frage: Wie können wir eine hochwertige psychotherapeutische Betreuung aufrechterhalten und unseren Patienten weiterhin bestmöglich helfen? Wir müssen schauen, wie der Patient so viel wie möglich selbstständig tun, und wo die Technik Unterstützung bieten kann.” Der Druck auf die Kontakte mit dem Therapeuten würde dann weniger, so Jansen. “Das Modul “Richtig leben” ist da ein gutes Beispiel. Dieses besteht aus neunzehn Lektionen und man sieht den Therapeuten drei- oder viermal. Der Therapeut begleitet den Modulfortgang, schaut, ob man zurechtkommt, und ob die Inhalte einen Effekt zeigen. In diese Richtung soll es verstärkt gehen.”


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